Dienstag, 31. Dezember 2013

Heimat


Es war wieder soweit. Jedes Jahr hoffte sie, dass es nicht passieren würde. Aber diese Hoffnung war kindisch, nein, sie war dumm und sie wusste es. Dennoch konnte sie ihr nicht widerstehen. Auch dieses Mal konnte sie nicht mehr sagen, wann es angefangen hatte. Bereits der erste Regentag im August hatte sie innerlich erstarren lassen, wie einen Bären, der sich in seiner Höhle zusammenrollt um den Winter zu verschlafen. Die Sonne war einen Tag später zurückgekehrt, plötzlich und unerwartet. Obwohl sie es besser wusste, hatte sie sich noch einmal auf den unbeschwerten Tanz des Sommers eingelassen. Den kalten Atem des Herbstes bereits im Nacken, der ihr einen Vorgeschmack auf Dunkelheit und Frost gab.
Das Verschwinden des Sommers war nicht ein einziger Untergang, den sie vielleicht leichter hätte ertragen können. Es waren viele, kleine Tode, die sie sterben musste bis sie endlich die Hoffnung aufgab. Der Schatten der Nacht erstreckte sich letztendlich gänzlich über die Tage, verkürzte und verdunkelte sie. Bis sie eines Morgens die Augen aufschlug und wusste, dass der Sommer endgültig fort war. Sie erkannte es an dem Dämmerlicht und der feuchten, kühlen Luft die, obwohl sie die Fenster immer gut verschloss, durch die Ritzen in ihr Schlafzimmer und bis unter ihre Decke kroch. Wieder hatte sie gegen den Lauf der Jahreszeiten verloren.

Dienstag, 26. November 2013

Der Tod dauert das ganze Leben


Auf dem Tresen standen zwei Biergläsern. Leer. Zwei Männer erhoben sich von den Hockern, sie nickten der Barkeeperin zu. Kleingeld klimperte und blieb zwischen den Bierdeckeln liegen. Im Gehen stießen die Männer um ein Haar mit einer jungen Frau zusammen. Sie stand am Zugang zu der nun menschenleeren Hotelbar, scheinbar unschlüssig, ob sie eintreten sollte, oder nicht. Adriane lehnte hinter dem Tresen und musterte die Fremde einen Augenblick. Sie war im Alter ihrer Tochter, hatte aber deutlich mehr Gewicht auf den Rippen. Beim Abräumen stieß Adriane gegen ein Glas, konnte es im letzten Moment noch auffangen, ehe es zu Boden stürzte und wischte mit einem Lappen über den Tresen. Flüchtig, Wassertropfen blieben schimmernd zurück. Die junge Frau setzte sich auf einen Barhocker und legte einen Umschlag vor sich. Dorthin, wo Augenblicke zuvor das Kleingeld gelegen hatte. Blass sah sie aus, mit dunklen Ringen unter den Augen, als hätte sie in der letzten Nacht nicht geschlafen.
„Was darf es sein?“ Adriane klang heiser.
Die Angesprochene warf einen Blick auf die Karte. „Was können Sie mir empfehlen?“
„Dir? Vielleicht einen Orangensaft?“ Ein Grinsen machte sich auf dem Make-up bedeckten Gesicht breit und brachte die Lachfalten um die Augen zum Vorschein.

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Leseprobe zur Anthologie "Die kleine Meerjungfrau weint nicht um ihren Prinzen"


Also für alle, die sich die Anthologie Die kleine Meerjungfrau weint nicht um ihren Prinzen mit den neu interpretierten Märchen von Hans Christian Andersen noch nicht bestellt haben, hier ein kleiner Vorgeschmack. Ich bin mir sicher, dass ihr nach der Lektüre der beiden Leseproben unbedingt dieses Buch haben müsst! :D In dem ihr sowieso noch viele weitere wunderschöne Märchenadaptionen finden könnt ;).
Ich stelle euch eine Leseprobe meiner eigenen Geschichte "Apfelmus" rein, sowie eine Leseprobe von "Die Dame in Blau" von Larissa Burkard.

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Zauberhafte Welten


Alle guten Dinge sind drei...
naja, wenn ich ehrlich bin, dann hoffe ich natürlich, dass bei drei noch lange nicht Schluss ist! :D

Freitag, 13. September 2013

Das Porträt


Eine Perserkatze räkelt sich auf den Dielen des Salons, die von den Strahlen der Nachmittagssonne aufgewärmt sind. Vor dem Fenster weht Wind durch die Äste des Nussbaums und wirbelt Schnee zu Boden. Es ist still im Raum, nur das Schwingen eines Uhrenpendels und das Knistern des Feuers im Kamin sind zu hören. Davor sitzt mit geradem Rücken eine alte Dame. Die warme Luft streift durch die feinen Haare ihres Angorapullovers und versetzt sie in Schwingung. Erst auf den zweiten Blick sieht man die Falten an ihren Augen. Sie sieht hinüber zur anderen Seite des Salons, wo ein junger Mann mit einem Stift in der Hand vor einer Staffelei steht.
Er streicht sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und mustert ihr Gesicht. Zu seinen Füßen liegt ein großer, lederner Koffer gefüllt mit Pinseln und Farbtuben, die den Blick des Betrachters einfangen. Die graue Farbe seines Hemdes blitzt nur noch an wenigen Stellen zwischen den bunten Ölflecken hervor. Sein Blick wandert von der Dame zur Staffelei und zurück. Dabei hinterlässt der Zeichenstift in seiner Hand dünne Linien auf der Leinwand.
„Ich mache heute die Skizze für Ihr Porträt. Es wird vier oder fünf Sitzungen dauern, bis es wirklich fertig ist … wegen den verschiedenen Farbaufträgen.“ Er spricht, ohne ihr in die Augen zu sehen.
Ihr Blick ruht auf seinem unrasierten Gesicht. Sie schweigt.
Jetzt sieht er sie an. „Erzählen Sie mir etwas von sich!“
„Wie bitte?“ Sie presst ihre Lippen aufeinander.
Plötzlich sind die Falten in ihrem Gesicht deutlich zu sehen.
Er legt den Stift beiseite und lächelt sie an. „Die Qualität eines Porträts hängt davon ab, wie gut der Maler sich in die Person einfühlen kann. Ich versuche nur Sie ein bisschen besser kennen zu lernen, nichts weiter.“
„Wir bezahlen Sie zu malen, nicht dafür, dass Sie meinen Freund oder meinen Seelenklempner spielen!“
„Wie Sie wünschen.“ Er seufzt und nimmt den Stift wieder in die Hand.
Minutenlang ist nur das Kratzen der Kohlespitze auf der Leinwand zu hören.
„Früher habe ich davon geträumt zu singen.“ Ihr Einwurf ist unvermittelt.

Freitag, 30. August 2013

Die kleine Meerjungfrau weint nicht um ihren Prinzen! :)


Sodele, hier nun meine zweite Veröffentlichung:


Wer jetzt neugierig geworden ist klicke bitte auf das "Weiterlesen" :)

Donnerstag, 1. August 2013

Das Kleid seiner Mutter


Ach, da fällt mir ein:
Meine allererste Thrillerkurzgeschichte könnt Ihr hier nachlesen:
Das Kleid seiner Mutter War für einen Wettbewerb, mal sehen, was daraus wird. Aber unabhängig davon freue ich mich natürlich über eine Rezension auf der Seite. Nur wenn Ihr dafür Lust und Zeit habt, für den Wettbewerb ist die Rezension denke ich sowieso nicht so wichtig und vielleicht hat sich die Jury ja schon entschieden, wer weiß?
Viel Spaß beim Lesen wünscht, wie immer,
Kryps

Mittwoch, 31. Juli 2013

Eine Frage des Blickwinkels


Schwärze. Oben, unten, vor und hinter mir - alles schwarz. Ein Bild löst sich aus der Dunkelheit. Straßensperre. Vor der Absperrung ein Auto, oder das, was davon übrig ist. Daneben eine Frau. Sie hat die Augen geschlossen und aus ihrer Nase läuft Schleim. Es sieht aus, als hätte sie einen Milchbart.
Was ist passiert? Die Frage beißt sich in mir fest.
Das Bild zoomt heran, ihr Gesicht nimmt den gesamten hellen Fleck der Dunkelheit ein und es ist genau vor mir. Mein Blick streift eine kleine Narbe auf ihrer Stirn. Ich halte die Luft an.
Das bin ich, schießt es mir durch den Kopf.
Erinnerungsfetzen blitzen auf: Scheibenwischer, nasse Fahrbahn, der LKW vor der Motorhaube, blockierende Reifen, Schlittern und schließlich ein Knall. Ein Ruck - und dann … Stille. Bin ich tot? Mein Gesicht verblasst. Schwärze.

Samstag, 29. Juni 2013

Und brannte im Herzen die Schuld


Gaspard zügelte sein Pferd und ließ den Blick über das vor ihm liegende Anwesen schweifen. Hier wohnte er also, dieser William, der vor siebzehn Jahren Gaspards Leben eine neue Richtung gegeben hatte. Etwa ein halbes Jahr nachdem der englische Bastardkönig 1425 nach Reims zu seiner Krönung gezogen war. Ein Engländer mit der französischen Krone auf dem Kopf. Von nichts anderem mehr hatten die Leute damals gesprochen. Die Schmach vor einem Engländer das Knie beugen zu müssen wiegte schwerer als die Sorge etwas zu Essen für die Familie auf den Tisch zu bekommen.
William aus Ringwood. Allein der Klang dieses Namens schnürte Gaspard die Kehle zu und sein Herz verdreifachte den Takt. Als spüre es seine Unruhe scharrte das Pferd schnaubend mit dem Huf im Dreck. Die Bewegung riss ihn aus seinen Gedanken und er trieb das Tier den Hügel hinunter.

Montag, 27. Mai 2013

Glaub nicht alles was ich sage – ein Versuch


Sie machen Dich los und Du läufst die Nase am Boden, willst wissen ob noch alles in Ordnung ist. Der Braune war hier seine Mischung aus Trockenfutter und frisch aufgeschnittenem Schweineknochen steigt Dir in die Nase. Hast Du ihm nicht gesagt er soll verschwinden aus Deinem Revier? Knurrend setzt Du Deinen Geruch über seinen, gibst ihm so ein Zeichen, eine letzte Warnung. Du hältst inne. Ein frischer Duft steigt Dir in die Nase. Es fühlt sich an wie die erste Sommerbrise nach dem Winter mit einer Note Macadamianuss im Abgang. Dein Herz rast. Du kannst nicht anders, Du musst die Spur atmen und ihr folgen. Sie rufen Dich, sicher wollen sie dass Du zurück kommst, aber Du hörst ihnen nicht zu. Du konzentrierst Dich nur auf den Duft, beschleunigst Deinen Schritt damit sie Dich nicht aufhalten können. Neben Dir kommt ein Auto mit quietschenden Bremsen zum Stehen.

Freitag, 19. April 2013

Allein


Sie stand am Fenster und starrte die Männer unten auf der Straße an. Man hatte ihnen die Hände gebunden und sie wie Vieh aneinander gereiht. Ihr Bruder und ihr Vater standen dort. Hinter sich hörte sie ihre Mutter schluchzen. Sie haben nur die Männer geholt. Nicht die Frauen. Mit ihnen kann man andere Dinge tun. Nicht die Kinder. Die sollen zusehen und lernen. Nicht die Alten. Eine Kugel an sie ist Verschwendung.
Einer der Kämpfer hob seine Waffe.

Mittwoch, 27. März 2013

Der Strassenkater und der Pfau


Du sitzt mir gegenüber, eine Tasse Kaffee vor Dir auf dem Küchentisch. Beide starren wir auf den Löffel Zucker in Deiner Hand. Ich beobachte, wie Du die kleinen, weißen Körner in die schwarze Brühe rieseln lässt. Sie gehen sofort unter.

Der Abend an dem ich verlassen wurde steht mir wieder vor Augen:
Zum Glück bist Du, mein Freund, immer bereit mit mir um die Häuser zu ziehen. Dein Lachen hallt mir wieder ins Ohr.
„Auf Deine neugewonnene Freiheit!“, sagst Du.
Deine Hand liegt auf meiner Schulter und Du atmest mir eine Mischung aus Bier und Schnaps entgegen.
„Weißt Du,“, nuschelst Du und spuckst mir dabei ins Ohr, „weißt Du, meine Gute, das darf man alles nicht so ernst nehmen. Immer wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich auf der anderen Seite eine Neue!“
Wenn Du predigen kannst, gefällst Du Dir am Besten. Mir nicht, aber was soll man darauf antworten? Das Leben als „All you can eat“ - Buffet, bei dem man sich vollstopfen kann bis zum Umfallen. Meine Gedanken von damals schießen mir durch den Kopf: Was weißt Du schon von Liebe? Was weißt Du schon, wie es sich anfühlt, wenn Du plötzlich nur noch mit einem halben Herzen dasitzt, das nicht aufhören will zu bluten? Ja, schön, dass sich irgendwo wieder eine Tür öffnet – aber was hilft es mir, wenn ich hinter der Geschlossenen einen Teil von mir vergessen habe? Ich habe keinen Schimmer, wie ich ohne den weiterleben soll. Aber das verstehst Du nicht. Also nicke ich, lache Dich an und hebe mein Glas: „Auf die Freiheit!“

Der Zucker in Deiner Tasse hat sich aufgelöst. Ohne Aufzusehen führst Du sie zum Mund und trinkst.

Freitag, 15. März 2013

Anthologie: Telefon!


Ui, es ist soweit!
Seit Dezember letzten Jahres schreibe ich eifrig Beiträge für verschiedene Wettbewerbe und seit heute ist die erste Veröffentlichung einer meiner Kurzgeschichten in einer Sammlung von Kurzgeschichten bei Amazon zu erwerben.

Montag, 4. März 2013

Das Leben geht weiter?


Ihre beste Freundin starb und er kam um sie zum Grab zu begleiten. Der Pfarrer sprach von den Verdiensten und dem Leben ihrer Freundin, die sie doch so viel besser kannte. Sie stützte sich auf ihn, ihren Bruder, und versuchte nicht hinzuhören. Er reichte ihr ein Taschentuch mit dem sie sich die Tränen aus den Augen wischte, um ihren Weg wieder sehen zu können.
Aber als die Dunkelheit hereinbrach und die Nacht die tröstenden Sonnenstrahlen vertrieb, war er nicht mehr bei ihr. Es war Wochenende und er hatte es längst verplant.