Freitag, 11. April 2014

Was bleibt


Zeit. Sie brauchte Zeit, die sie nicht mehr hatte. Immer wieder ertappte Simone sich dabei wie sie ihren Kopf abtastete, der sich von außen völlig normal anfühlte.
Warum ich? Fragte sie sich, und, warum jetzt?
Morgen würden sie ihr den Schädel aufsägen und nachsehen, ob sie noch zu retten war.
Sie hatte Angst. Angst nach der Operation die Augen zu öffnen, die Blicke der Schwestern und Pfleger zu sehen, das Kopfschütteln, eine Hand auf der Schulter zu spüren und die bedeutungsschweren Worte ins Ohr geraunt zu bekommen:
Es tut uns leid, Frau Tielmann, aber wir können nichts mehr für Sie tun.
Vor einer halben Stunde war die Nachtschwester vorbeigekommen. Wie sie es immer tat, nach der Übergabe. Ob sie vielleicht eine Schlaftablette wollte, hatte sie Simone gefragt. Aber Simone wollte nicht. Sie wollte sich nicht einem künstlichen Schlaf, einer künstlichen Ruhe hingeben. Lieber die ganze Nacht wachliegen, dem Schattenspiel des Baumes an der Zimmerdecke zusehen und sich verrückt machen.