Sie stand am Fenster und starrte die Männer unten auf der Straße an. Man hatte ihnen die Hände gebunden und sie wie Vieh aneinander gereiht. Ihr Bruder und ihr Vater standen dort. Hinter sich hörte sie ihre Mutter schluchzen. Sie haben nur die Männer geholt. Nicht die Frauen. Mit ihnen kann man andere Dinge tun. Nicht die Kinder. Die sollen zusehen und lernen. Nicht die Alten. Eine Kugel an sie ist Verschwendung.
Einer der Kämpfer hob seine Waffe.
Sie legte die Hände auf die Fensterscheibe. Beide, Bruder und Vater starrten auf den Boden. Schüsse zerrissen die Stille der Vorstadt. Einer nach dem anderen sackten die Männer zusammen und blieben liegen, mit den Gesichtern im Dreck.
Ihre Hände schlugen gegen die Scheibe. Den Häusern auf der anderen Straßenseite fehlten Teile des Daches. Eines stand nur noch halb. Leere Fenster starrten sie an wie die Augenhöhlen eines Totenschädels. Hätte sie Worte für ihren Schmerz, wären sie wie die andere Straßenseite.
Einer der Kämpfer sah hoch und zielte mit der Waffe auf sie. Er war nicht einmal so alt wie ihr Bruder. Sie war nicht dumm, sie wusste, dass er abdrücken würde, dennoch blieb sie und sah ihn an. Ihre Mutter schrie auf und stieß sie vom Fenster weg. Ein Schuss fiel. Blut, überall war Blut.
Kraftlos griff die faltige Hand nach ihr. „Lauf!“
Sie schloss die Augen in dem blassen Gesicht. Ihr Blick streifte den blühenden Pinienzweig auf dem Tisch. Gestern erst hatte ihn ihr Vater heimgebracht.
Schritte eilten die Treppe hoch und sie hörte Schläge an der Wohnungstür. Das Holz splitterte, aber sie sah nicht auf.
Freitag, 19. April 2013
Allein
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Ich weiß, dass mein Wissen nicht ausreicht glaubhafte Texte über Kriegssituationen zu schreiben. Aber als ich vor wenigen Wochen über den Bürgerkrieg in Syrien gelesen habe, der schon so lange geht und für mich so weit weg ist, dass es fast so ist, als wäre er in einer anderen Realität, musste ich etwas schreiben.
AntwortenLöschenWer sich über die aktuelle Lage informieren will, der kann das hier tun:
http://www.spiegel.de/thema/syrien/
Oder auf einer anderen Nachrichtenseite im Netz.
Anregungen und Kritik zum Text sind willkommen.
Viele Grüße,
Kryps