Dienstag, 31. Dezember 2013

Heimat


Es war wieder soweit. Jedes Jahr hoffte sie, dass es nicht passieren würde. Aber diese Hoffnung war kindisch, nein, sie war dumm und sie wusste es. Dennoch konnte sie ihr nicht widerstehen. Auch dieses Mal konnte sie nicht mehr sagen, wann es angefangen hatte. Bereits der erste Regentag im August hatte sie innerlich erstarren lassen, wie einen Bären, der sich in seiner Höhle zusammenrollt um den Winter zu verschlafen. Die Sonne war einen Tag später zurückgekehrt, plötzlich und unerwartet. Obwohl sie es besser wusste, hatte sie sich noch einmal auf den unbeschwerten Tanz des Sommers eingelassen. Den kalten Atem des Herbstes bereits im Nacken, der ihr einen Vorgeschmack auf Dunkelheit und Frost gab.
Das Verschwinden des Sommers war nicht ein einziger Untergang, den sie vielleicht leichter hätte ertragen können. Es waren viele, kleine Tode, die sie sterben musste bis sie endlich die Hoffnung aufgab. Der Schatten der Nacht erstreckte sich letztendlich gänzlich über die Tage, verkürzte und verdunkelte sie. Bis sie eines Morgens die Augen aufschlug und wusste, dass der Sommer endgültig fort war. Sie erkannte es an dem Dämmerlicht und der feuchten, kühlen Luft die, obwohl sie die Fenster immer gut verschloss, durch die Ritzen in ihr Schlafzimmer und bis unter ihre Decke kroch. Wieder hatte sie gegen den Lauf der Jahreszeiten verloren.