Donnerstag, 16. April 2009

Im Regen III


„Du hast eben einen Unfall verursacht!“, die Stimme drang wie aus weiter Ferne an Bastians Ohr.
Er zwinkerte mit den Augen und wandte den Kopf zur Seite. Ein Mädel, so Anfang zwanzig, stand vor ihm und fixierte ihn mit festem Blick. Er trat von einem Bein auf das andere und kratzte sich am Kopf. Was hatte sie da eben gesagt? Ein Unfall? Auf seiner Stirn zeichneten sich tiefe Falten ab und er erinnerte sich plötzlich wieder an ein Quietschen und die Hupe eines Autos, die schrill die Stille der Nacht zerriss. Aber was hatte das Ganze mit ihm zu tun?
„Was sagst Du?“, er unterdrückte ein Gähnen.

Jetzt legte ihre Stirn sich in Falten. Sie starrte ihn aus großen Augen an.
„Machst Du Witze? Du hast mich genau verstanden -“, sie betonte jedes der folgenden Wörter einzeln, „als Du eben über die Straße gelaufen bist ohne Dich umzusehen hätte Dich der Typ mit dem dicken Audi beinahe umgefahren. Verstehst Du? UMGEFAHREN“
Nein, er verstand nicht. Welcher Typ in was für einem Audi? Angestrengt suchte er nach einer Erinnerung, die in irgendeiner Weise etwas mit dem zu tun hatte, was diese junge Frau ihm erzählte. Nachdem er schwieg schien sie sich berufen zu fühlen weiter zu sprechen:
„Du hast verdammtes Glück gehabt, der Typ hätte fast nicht mehr bremsen können und wäre um ein Haar über Dich drüber gerollt! Dass Du einfach weitergelaufen bist ohne Dich um ihn zu kümmern hat ihn völlig aus der Fassung gebracht. Naja, und dann: Wumms!“
Sie klatschte in die Hände und sah ihn bedeutungsvoll an.
„Wie Wumms?“, er hatte Mühe zu begreifen, was sie ihm deutlich machen wollte.
Am Rande bemerkte er, dass eine neue Bahn an der Haltestelle stehen blieb. Er beobachtete wie sie ihre Augenbrauen nach oben zog und laut seufzte.
„Na Wumms eben!“, sie wiederholte das Händeklatschen. Als er keine Reaktion des Verstehens zeigte holte sie erneut tief Luft, „Er stand da und hat Dir hinterher gebrüllt und währenddessen ist ihm ein zweites Auto hinten reingeknallt!“
Wieder das Klatschen. Es begann ihn zu nerven.
„Ach so, ja, okay, verstehe...“, schnell kamen die Worte über seine Lippen und er hoffte inständig, dass sie aufhören würde in die Hände zu klatschen.
Die Bahn fuhr wieder los. Zurück blieben zwei Jugendliche. Bastian kniff einen Moment seine Augen zusammen, aber durch den Regen und die Dunkelheit war kaum mehr als die Umrisse zu erkennen. Trotzdem kam der eine ihm irgendwie bekannt vor. Sie lachten laut, zumindest der eine, und als sie sich in Bewegung setzten kam es ihm so vor als würden sie leicht schwanken.
„Scheiße!“, ihre Stimme brachte seine Aufmerksamkeit wieder zurück.
Er folgte ihren Blick. Auf der Straße direkt neben ihnen fuhr ein Auto langsam auf die grüne Ampel zu. Aber das eigentlich Ungewöhnliche war, dass es Vorne völlig eingedellt war. Er wunderte sich wie es überhaupt möglich war, dass das Ding noch fuhr.
„Lass uns abhauen!“, sie bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung ihr zu folgen und stemmte dabei den Kinderwagen auf die Hinterräder.
Er folgte ihr und sein Herz, das sich vor kurzem erst wieder beruhigt hatte, begann wieder wie wild zu klopfen. Da war so ein Zittern in ihrer Stimme gewesen, fast schon eine leichte Panik. Bastian zwang sich nicht los zu rennen. Jeden Augenblick rechnete er damit, dass das Auto ihnen den Weg abschneiden würde und zwei Bewaffnete raus springen würden. Er kam sich vor wie in einem schlechten Gangsterfilm. Aber nichts passierte. Nachdem sie einige hundert Meter schweigend zurückgelegt hatten ohne dass das Auto ihnen gefolgt wäre, begann er langsam an ihrer Geschichte zu zweifeln. Er beäugte sie aus seinem Augenwinkel auf irgendein Anzeichen, dass ihm Auskunft über den Zustand ihrer geistigen Gesundheit geben könnte. Aber er konnte nichts Auffälliges ausmachen. Sein Blick fiel auf den Kinderwagen.
„Ist das eigentlich Deines?“, mit dem Kopf deutete er in Richtung des Babys, das unter den dicken Decken kaum zu erkennen war.
„Quatsch, meine Mutter hatte noch einen Spätzünder.“, auffordernd hob sie ihr Kinn und wandte ihm ihr Gesicht zu.
„Echt?“
Sie antwortete nicht. Stattdessen grinste sie ihn breit an, bevor sie ihren Blick wieder auf die Straße richtete. Bastian zog seine Brauen zusammen und hatte keine Ahnung was er ihr überhaupt noch glauben wollte. Sie war komplett durchgeknallt! Er schüttelte den Kopf und verlangsamte seinen Schritt.

1 Kommentar:

  1. Nach der Osterpause gehts wieder weiter.
    Das ist schon wieder eine Geschichte, die meinem persönlicher Lektor nicht zur Zensur vorgelegt wurde...
    Trotzdem, oder vielleicht auch deshalb, viel Spaß beim Lesen! :D

    Kryps

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