Zum dritte Mal in den letzten beiden Minuten schaut Pete auf seine Uhr. Zweimal fällt ihm beinahe das Streichholz aus der Hand, bis es endlich Flamme fängt und er seine Zigarette anzünden kann. Er nimmt einen Zug und zwingt sich dem Rauch nachzusehen. Als seine Hand nach dem Pils vor ihm greift bleibt sein Blick doch wieder draußen an dem in eine helle Jacke gehüllten Rücken hängen. Erneut sieht er auf seine Uhr. 34 Minuten. Vor genau 34 Minuten hat er sich auf eben diesen Barhocker gesetzt und ganz zufällig nach draußen gesehen. Die Sonne ist mittlerweile von Wolken verdeckt und die kleine Fahne am Heck des Schiffes tanzt einen immer wilder werdenden Tanz. Aber dennoch hat sich dieser besagte Rücken in den letzten 34, nein jetzt 35 Minuten, nicht bewegt! Er drückt seine Zigarette wieder aus.
„Ich will doch einfach nur hier in Ruhe mein Bier trinken...“, denkt er während er dem Verglühen der Asche zusieht, „Was gehen mich die Angelegenheiten anderer Leute an? Es interessiert mich nicht!“
Am allerwenigsten interessiert ihn dieser verdammte Rücken, der wie eine alte Statue reglos dort draußen auf einer Bank thront!
Erneut schaut er auf seine Uhr und mit einem beinahe trotzigen Blick wieder nach Draußen. Jetzt hat sich diese Hintenansicht in den letzten 36 Minuten nicht mehr bewegt. Der schlanken Statur nach zu urteilen könnte es eine Frau sein. Aber vielleicht ist es auch ein Mann mit sehr wenig Muskeln? Pete zieht seine Augenbrauen ein Stück zusammen. Ein Mann mit einem Haarknoten? Wohl eher nicht. Das Einzige was sich an dieser Gestalt bewegt ist das Tuch, das um den Hals gebunden ist. Der heftiger werdende Wind spielt mit ihm, zerrt und droht es zu Boden zu reißen.
„Warum habe ich mich verdammt noch mal auf diese Seite der Bar gesetzt?“, seine Hand spielt mit dem Kleingeld in seiner Hosentasche.
Einen Moment lang blitzt die Vorstellung in seinen Gedanken auf einfach wieder nach unten in seine Kabine zu gehen, sich auf die harte Pritsche zu legen, die Augen schließen und von der Musik aus seinem MP3Player davon tragen zu lassen. Lächelnd schließt er seine Augen. Plötzlich taucht das Bild eines Haarknotens vor dem Hintergrund einer sich langsam verdunkelnden See auf. Schnell reißt Pete seine Augen auf und starrt auf das fast leere Pilsglas vor sich.
„Verdammte Scheiße!“, mit der einen Faust schlägt er gegen den Tresen mit der anderen greift er zu seinem Glas und leert es in einem Zug.
Er hört ein Kichern. Wendet den Kopf und sieht zwei kleine Kinder am Nachbartisch. Das Kleinere starrt ihn mit offenem Mund an, während das Ältere ihn anstrahlt. Die Frau, die zwischen den beiden sitzt, sieht ihn mit zusammengekniffenen Mund an. Pete zuckt mit den Achseln, zählt sein Kleingeld ab und legt es auf den Tresen. Er nickt dem Barkeeper kurz zu und wendet sich dann in Richtung Außendeck. Seufzend öffnet er die Tür.
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