Donnerstag, 29. Juli 2010

Begegnung in drei Teilen - Teil I


Ihre Nase zuckt und bringt mit dem Zucken die Sommersprossen zum Tanzen. Es ist ein schneller Tanz, er passt nicht zu den Falten in ihrem Gesicht. Sofort gleitet ihre Hand nach oben, drückt mit zwei Fingern zu und setzt dem bunten Treiben ein Ende. Die andere Hand ist fest auf die Reling gestützt. Blinzelnd hält sie ihren Kopf in den Wind. Die Sonne strahlt ihr Gesicht an und verleiht ihr einen unwirklichen Glanz. Das Rauschen des Meeres unter ihr ist unter dem Lärm der Maschinen kaum mehr zu hören. Ihr Blick fängt sich in den weißen schäumenden Linien, die die Fähre hinter sich her zieht. Plötzlich huscht ein Lächeln über ihr faltiges Gesicht. All die Geschichten von Delphinen, die ins Meer gefallene Menschen vor dem Ertrinken bewahren geistern ihr durch den Kopf. Sie beugt sich nach vorne, so weit dass sie das Meer direkt unter sich sehen kann.
„Wenn ich jetzt ins Wasser fallen würde – wärt ihr hier um mich zu retten?“, flüstert sie unhörbar in den Lärm der Maschinen hinein. Sie bekommt keine Antwort. Langsam schweift ihr Blick wieder zum Horizont. Plötzlich ist ihr als spränge weit draußen ein kleiner, schwarz-weißer Punkt aus den Wellen. Sie blinzelt, legt eine Hand über die Augen, aber es sind nur noch die Wellen zu sehen.

Mit einem Achselzucken wendet sie sich von der Reling ab und geht auf eine der Bänke zu, die im hinteren Teil des Decks aufgestellt wurden. Nach einem kurzen Prüfen wählt sie eine direkt vor dem verglasten Café mit Blick auf das Meer. Trotz der Sonne bläst ein kalter Herbstwind. Er hat alle Passagiere in den Glaskasten getrieben. Sie braucht Ruhe, hat keine Lust auf laute Gespräche, Zigarettenrauch und Biergeruch am Nachmittag. Sie zieht ihr Halstuch ein wenig enger, setzt sich und lässt ihren Blick erneut über das Meer gleiten. Von hier aus kann sie gut beobachten wie sich das Wasser langsam hinter der Fähre wieder schließt. Ein oder zwei Kilometer später treibt es in seinem gewohnten Gang, als hätte das große Schiff sich nie seinen Weg hindurch gebahnt. Ihre alten Augen sind es müde zu sehen. Langsam schließen sie sich und sperren die Sonne, das Schiff und das Meer nach draußen. Beinahe unmerklich sinkt ihr Kinn zur Brust. Das Rauschen des Meeres übertönt mit einem Mal den Klang der Maschinen.

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