Donnerstag, 7. Mai 2009

In der Zoohandlung II


Flynns Herz klopfte wie wild, als er an der Hand seines Vaters quälend langsam die geschwungene Treppe nach oben ging. Immer wieder sprang er eine Stufe voraus, nur um dann am Ende seiner Armeslänge angekommen wieder stehen bleiben zu müssen.
„Jetzt zerr doch nicht so!“, die Stimme seines Vaters klang gepresst und seine große Pranke umschlang Flynns Hand wie ein Schraubstock.
Flynn warf einen schnellen Blick nach hinten, blieb stehen und lies seinen Kopf hängen. Angestrengt musterte er seine Fußspitzen, bis er endlich die großen Schuhe neben seinen sah. Er kniff seine Lippen zusammen, während er sich darauf konzentrierte im Takt seines Vaters seinen linken Fuß auf der nächsten Treppe abzusetzen.
„Was ziehst Du denn jetzt schon wieder für ein Gesicht? Ich dachte ich mache Dir eine Freude mit der Zoohandlung?“, die Stimme war jetzt genau über seinem Kopf. Sie klang scharf und schneidend.
Flynn zuckte zusammen.

„Ich freu mich ja...“, er sprach es so leise aus, dass man es kaum hören konnte.
Und es war gelogen. Vor fünf Minuten wäre es noch wahr gewesen, aber jetzt war es gelogen. Warum passierte das immer? Er rieb sich mit der freien Hand über die Nase und schniefte. Im nächsten Moment spürte er einen Klaps an seinem Hinterkopf.
„Habe ich Dir nicht gesagt, dass Du ein Taschentuch verwenden sollst? Hat Dir Deine Mutter das denn nicht beigebracht?“
„Doch!“, Flynn war stehen geblieben und sah seinem Vater direkt ins Gesicht.
Dieser sah ihn mit zusammengekniffenen Augen kurz an, bevor er ihm ein Taschentuch hinhielt:
„Hier, nimm!“
„Danke...“, er presste die Worte heraus, er wollte das dämliche Taschentuch überhaupt nicht.
Aber er wusste, dass es klüger war es einfach zu nehmen und sich damit die Nase zu schnäuzen. Warum machte er immer alles verkehrt? Dabei war er so stolz gewesen als Papa gestern anrief und verkündete er würde mit ihm heute in die Zoohandlung gehen und er dürfe sich ein Tier aussuchen. Ganz alleine er und Papa, selbst Patrick hat Papa zu Hause gelassen. Der musste sonst immer mit. Und der war ja auch viel schlauer. Nicht so wie er, der ja selbst zum Nase putzen zu doof war. Was war Flynn aufgeregt gewesen und was hatte er für Angst, dass der Papa im letzten Moment vielleicht wieder absagen, oder doch mit Patrick vor der Tür stehen würde. Aber er hatte Wort gehalten und war pünktlich, wie verabredet. Flynn hatte zum Schluss schon Angst gehabt, dass er nicht rechtzeitig von Tante Biggi nach Hause käme. Und trotzdem hatte er es wieder geschafft und binnen 10 Minuten seinen Vater enttäuscht. Patrick wäre das nicht passiert, da war sich Flynn sicher. Er hasste Patrick! Wieder starrte er angestrengt auf seine Füße und wartete, darauf dass dieses eklige Gefühl verschwinden und er sich wieder so wie eben auf der Treppe fühlen würde.
„Na dann wollen wir uns mal umsehen – was meinst Du?“, die große Pranke klopfte ihm auf die Schulter.
Als er aufsah lächelte sein Vater ihm kurz zu, bevor er sich in Richtung der Kleintiere wandte. Sein Herz machte einen kleinen Sprung und seine Augen begannen zu strahlen. Ungeduldig sprang er von einem Bein auf das andere und bemühte sich im langsamen Tempo seines Vaters zu bleiben.
„Was willst Du eigentlich für ein Tier?“
„Ein Chinchilla!“
„Ein was?“
„Ein Chinchilla“, Flynns Stimme zitterte ein klein wenig – hatte er wieder etwas falsch gemacht?
„Ich dachte Du willst ein Zwergkaninchen oder einen Hamster?“
„Nein.“
Unschlüssig stand sein Vater vor den Käfigen.
„Wie wär´s, wenn Du Dir selber ein Haustier anschaffst?“, zwei große Jungs kamen den Gang entlang und boxten sich abwechselnd in die Seiten.
Flynn kniff die Augen zusammen und legte seinen Kopf schief. Die sahen aus wie die beiden Jungs beim Karussell, von denen Tante Biggi sie so schnell weggezogen hatte.
„Tolle Idee!“, feixte der schlaksigere der Beiden und sah sich suchend bei den pelzigen Tieren um, „Nur was für eines?“
Flynn holte tief Luft und stellte sich dann direkt vor den Großen:
„Nimm ein Chinchilla!“
„Ein Chin-was?“, er sah Flynn an und brach dann in Gelächter aus.
Flynn spürte die Hände seines Vaters auf seinen Schultern.
„Guck, da“, er beugte sich vor und flüsterte.
Der große Kerl beugte sich zu ihm runter, ein säuerlich scharfer Geruch schlug ihm entgegen. Er rümpfte die Nase und wandte sein Gesicht leicht ab.
„Warum flüsterst Du?“
„Weil die Chinchillas tagsüber schlafen! Guck.“
Der Große folgte Flynns Finger und besah sich mit gerunzelter Stirn die pelzigen Tiere.
„Die sind aber ganz schön dick!“
„Das ist nur das Fell. Die haben ganz flauschiges Fell!“
„Echt?“
„Ja.“
Er schien beeindruckt zu sein und Flynn strahlte übers ganze Gesicht. Der Große schwankte leicht und stieß beinahe mit seinem Kopf gegen das Gitter. Plötzlich stand der Andere wieder hinter ihnen:
„Ich bin fertig, wir können gehen.“
„Ey, Alter, zeig mal Dein Schlangenfutter!“
Flynn sah erschrocken zu seinem Vater:
„Papa, will der Mann die Tiere töten?“
Er hatte keine Ahnung was für Tiere in der Pappschachtel waren, aber der Größe nach zu urteilen konnten sie nicht besonders groß sein, jedenfalls waren es keine Chinchillas, soviel stand fest. Der Andere Kerl zwinkerte Flynn kurz zu:
„Aber nein, die Schlange sucht nur jemanden zum spielen!“
Dann packte er seinen Kumpel und zog ihn schnell fort. Sie wankten leicht, wie sie so den Gang zur Treppe entlang gingen.
„Papa?“
„Ja?“
„Meinst Du so eine Schlange versteht sich mit einem Chinchilla?“
„Nein, sicher nicht.“
„Ich will auch eine Schlange...“, Flynn flüsterte es so leise, dass sein Vater es nicht hören konnte.
„So sehen also die Chinchillas aus?“, sein Vater ging vor dem Käfig in die Hocke, „so ein Tier willst Du?“
„Hmm...“, Flynn wusste nicht so recht wie er jetzt die Schlange ins Spiel bringen sollte.
Plötzlich hörten sie vom Erdgeschoss einen spitzen Schrei. Er sah seinen Vater an. Was war das? Neugierig lief er zur Treppe und sah nach unten. Er sah eine Verkäuferin, die ihre Hand an ihren Mund gepresst hatte und mit schnellen Schritten auf das große Fischbecken am Eingang zu lief. Er folgte ihrem Blick und hielt die Luft an. Neben dem Becken standen die beiden Jungs. Der Schlaksige übergab sich. Gebannt beobachtete Flynn wie die Verkäuferin etwas zu den beiden sagte, sie dann grob an den Schultern packte und wegführte.
„Papa, meinst Du der Große da ist krank?“

1 Kommentar:

  1. Hups,
    vor lauter Urlaubsstimmung hätt ich beinahe vergessen den Blog heute abzudaten... :)
    Viel Spaß!
    Grüße
    Kryps

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