Montag, 16. Februar 2009

Im Kino I


Larissa hielt die Hand ihrer Mutter fest umklammert, als sie gemeinsam den Kinosaal betraten. Sie war froh, dass Flynn und Annika heute schon abgeholt worden waren und sie ihre Mama wieder für sich alleine haben konnte. Im Saal war es dunkel. Larissa blinzelte, während sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnten. Direkt vor ihnen suchte sich ein Vater mit seiner Tochter einen Platz in den hinteren Reihen. Das Mädchen hatte ungefähr ihr Alter. Ohne zu überlegen zog sie ihre Mutter in die gleiche Reihe.
„Willst Du wirklich so weit hinten sitzen?“
Larissa nickte nur und drängte sich an dem Mann und dem Mädchen vorbei. Ein stilles Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie beobachtete wie ihre Mutter dem Mann im Vorbeigehen kurz zunickte.

Zwei Sitze weiter, ganz nah bei dem Mann, blieb sie stehen.
„Geh noch ein Stückchen weiter, es ist so viel freier Platz, da müssen wir uns nicht direkt neben die fremden Leute setzen.“
Ihre Mutter versuchte sie weiter zu schieben, aber Larissa blieb stehen und schüttelte ihren Kopf.
„Von hier aus kann man die Leinwand viel besser sehen – ich will nicht am Rand sitzen!“
„Dann gehen wir eben eine Reihe weiter vor.“
Es folgte eine kurze Diskussion zwischen Mutter und Tochter. Plötzlich mischte der Mann sich in ihre Diskussion ein:
„Also wegen uns können Sie sich gerne hier hinsetzen. In der Mitte sieht man ja am Besten. Außerdem wird es meiner Nichte sicher gefallen, wenn sie sich mit Ihrer Tochter über den Film unterhalten kann. Nicht wahr, Melinda?“
Die Angesprochene hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und sah Larissa finster an. Schließlich einigten sich die beiden Erwachsenen, dass die beiden Mädchen ja nebeneinander sitzen könnten. Ach – Ihre Tochter ist auch sechs Jahre alt? Was ein Zufall! Melinda auch. Nein, sie scheinen nicht auf die selbe Schule zu gehen, aber wir wohnen ja auch nicht in der Stadt. Was, Sie auch nicht? Ja, wo wohnen Sie denn dann?
Während sich die beiden Erwachsenen angeregt über die Köpfe der Mädchen hinweg unterhielten würdigte Melinda Larissa keines Blickes mehr. Diese lies sich davon nicht beeindrucken. Mit strahlendem Gesicht lauschte sie der Unterhaltung ihrer Mutter und des fremden Mannes.
„Das ist mein Onkel! Du hast mit Deiner Mutter hier gar nichts zu suchen!“ Melinda verschränkte ihre Arme und rutschte ein Stück weiter in den Sitz hinein, während sie Larissa leise anzischte. Die rutschte auch ein Stück tiefer in den Sessel, zuckte mit den Achseln und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
In die Reihe vor ihnen schob sich das Pärchen, mit einer großen Tüte Popcorn und zwei Getränken bewaffnet. Larissa grinste, als sie sich wieder an das Spucken vor der Kinokasse erinnerte. Sie setzten sich an den äußeren Rand der Reihe auf einen Doppelsitz. Larissa deutete auf die Beiden und flüsterte:
„Igitt, die werden bestimmt gleich knutschen!“
Melinda antwortete nicht. Larissa drehte ihr den Kopf zu und sah dass sie es vorzog weiter mit schmollendem Gesicht vor sich hinzustarren.
„Pff! Leberwurst!“
Larissa beobachtete das Pärchen. Sie saßen ganz eng nebeneinander. Sie sah, wie er den Kopf zu der Frau hindrehte und ihr etwas ins Ohr flüsterte. Diese zuckte mit den Schultern, sah kurz zu ihm und hielt ihren Becher hoch. Er lachte und stieß mit ihr an. Larissa kapierte nicht, was das sollte und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Mutter und dem fremden Mann zu. Sie war sehr froh, dass sie den Mann gefunden hatten. Mama wäre sicher deprimiert gewesen, wenn sie das Paar vor sich beobachtete hätte. Aber jetzt sah sie, wie ihr Gesicht strahlte, so wie es schon lange nicht mehr gestrahlt hatte. Sie kniff ihre Augen zusammen während sie im Halbdunklen das Gesicht ihrer Mutter in sich aufnahm. Mama war immer schön, aber jetzt, eben, in diesem Moment war sie besonders schön! Keine Spur mehr von den Sorgenfalten, die sich oft so tief auf ihrer Stirn abzeichneten. Larissa sah zu dem fremden Mann. Er war groß und stark. Sie schloss kurz die Augen, um seine tiefe, ruhige Stimme besser hören zu können. Genauso hatte sie sich die Stimme ihres Vaters immer vorgestellt!
Dann ging plötzlich das Licht an und die Stimme einer Frau hallte durch den Saal:
„Eis! Will jemand Eis?“
„Na, ihr zwei Hübschen? Habt ihr Lust auf Eis?“ Der Mann sah sie mit fragendem Gesicht an.
Larissa starrte ihn mit großen Augen an und nickte. Melinda schmollte weiter und schüttelte heftig den Kopf. Er legte seine Hand auf Melindas Arm, zwinkerte ihr zu und flüsterte ihr etwas ins Ohr, ganz leise, so dass nur sie es hören konnte. Sie sah ihn an und lächelte. Larissa spürte einen Stich in ihrem Bauch, als sie das beobachtete und kuschelte sich unwillkürlich an ihre Mutter an.
Der Mann sah zu ihrer Mutter hin: „Wollen Sie auch ein Eis?“
Die schüttelte lachend den Kopf, während sie Larissa mit einer sanften Bewegung über das Haar strich. Der Mann winkte die Eisverkäuferin zu ihnen. Larissa starrte sie mit offenem Mund an. Die Beine der jungen Frau leuchteten, sie trug eine weiße Wollstrumpfhose und darüber einen dunklen Rock, der über ihren Knien aufhörte. Larissa sah der Frau ins Gesicht und ihr fuhr ein Schauer über den Rücken. Die Augen waren dunkel geschminkt, mit einer schwarzen Verzierung an der linken Seite und ihre Lippen waren lila. Die dunklen Farben bildeten einen starken Kontrast zu dem blassen Gesicht. Unsicher streckte sie ihre Hand aus, als die Frau ihr augenzwinkernd das Eis überreichte.

1 Kommentar:

  1. Ist nicht so leich sich in eine Sechsjährige reinzuversetzen. Das muss ich noch üben. Eine "echte" Sechsjährige würde wohl nicht so "erwachsen" denken :).

    Grüße

    Kryps

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