Montag, 2. Februar 2009

Draußen, Fußgängerzone II


„500 Gramm gebrannte Mandeln, bitte.“ Bernd warf einen prüfenden Blick Richtung Himmel, bevor er die Nüsse entgegen nahm. Trocken und noch nicht richtig dunkel. Er sah sich um, nahm dann den großen, schwarzen Koffer und stellte sich an einen der Stehtische.
Ein Herr mit schwarzgeränderter Brille, der am Nachbartisch stand, starrte mit leicht geöffneten Mund auf seinen Koffer. Bernd nickte ihm zwischen zwei Nüssen zu, woraufhin der Herr schnell seinen Blick abwandte und begann in seinen Taschen zu wühlen. Bevor er sich mit hastigen Schritten entfernte, sah er sich nach allen Seiten um. Bernd zuckte mit den Achseln und lies seinen Blick über den Platz schweifen.

Sein Blick blieb an einem alten Mann hängen. Vornübergebeugt saß der Alte auf einer der Bänke am Rande des Platzes. Sein Blick war hinter seinen strähnig-fettig dunklen Haaren versteckt. Bernd runzelte die Stirn und sah ihn genauer an. Das dunkle Jackett mit feinen Nadelstreifen sah vorne an den Ärmeln sehr abgewetzt aus. Außerdem konnte Bernd ein Loch an der einen Tasche ausmachen. Die dunkle Hose sah dagegen noch relativ neu aus. Bernd zog die Augenbrauen hoch, als sein Blick zu den Schuhen wanderte. Sie waren frisch geputzt und glänzten wie neu. Der Alte hielt eine Papiertüte in der Hand und warf mit einer ruhigen, gleichmäßigen Bewegung der anderen Hand von Zeit zu Zeit ein paar Brotkrümel auf das Kopfsteinpflaster zu seinen Füßen. Dort hatte sich ein ganzer Schwarm Tauben und Spatzen gesammelt. Emsig liefen die Vögel vor ihm auf und ab. Ein paar Vorwitzige sprangen sogar zwischen seinen Füßen herum. Bernd holte tief Luft, während er das ganze Bild auf sich wirken lies. Der Alte, dessen Blick man nicht sehen konnte und die Vögel, die ihn mit großen und leeren Augen anstarrten. Er spürte einen kleinen Stich und wandte seinen Blick ab. Das Bild rührte ihn. Wahrscheinlich war der Alte ein Penner, stank 100 Meter gegen den Wind nach Alkohol. Aber warum sollte ein Penner, der selbst kein Geld hat, seine Brötchen an Vögel verfüttern? Vielleicht war er auch einfach nur ein verwirrter, armer Mann? Einsam. Wie musste man wohl gelebt haben, um eines Tages so zu enden? Bernd holte noch einmal tief Luft, bevor er seinen Blick weiter wandern lies.
Direkt neben dem Alten hatte sich eine alte Dame mit einem jungen Mann gesetzt. Die Dame sah deutlich gepflegter aus als der Alte. Bernd runzelte die Stirn, als er bemerkte wie sie sich mit einer Hand an ihren Schal klammerte, während sie die andere fest bei dem jungen Mann untergehakt hatte. Sie hielt den Schal so fest, als sei es ein besonderer Schatz. Der Abstand auf der Bank zwischen der Dame und dem Alten machte unmissverständlich deutlich, dass die drei wohl nicht zusammengehörten. Wahrscheinlich führte die Oma ihren Enkel aus, oder umgekehrt. Bernd musste schmunzeln, als er bemerkte wie sich die alte Frau an den jungen Mann lehnte. Wäre der Altersabstand zwischen den Beiden nicht, hätte er genauso gut glauben können, dass es sich um ein Liebespaar handeln würde.
Die letzte Nuss lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zurück zu seinem eigentlichen Vorhaben. Er warf noch einen Blick zum Himmel. Immer noch Trocken und bereits etwas Dunkler. Achselzuckend packte er erneut seinen großen, schwarzen Koffer und schleppte ihn diesmal quer über die Straße, direkt neben das Schild, dass diesen Platz für Straßenkünstler auszeichnete. Während er bedächtig den Inhalt seines Koffers auspackte und zurechtlegte beobachtete er im Augenwinkel die Menschen, die an dem Platz standen oder saßen. Das Herrichten der Utensilien war für Bernd bereits Teil der Aufführung. Je neugieriger er die Menschen machen konnte, um so mehr blieben stehen. Und mit jedem der stehen blieb wuchs die Wahrscheinlichkeit dass einer von ihnen Geld in seine Mütze werfen würde. Bernd hatte sich ganz große Straßenkünstler zum Vorbild genommen und ahmte deren große, bedeutungsschwere Bewegungen nach. Der Erfolg war allerdings mäßig. Als er endlich die erste Fackel anzündete standen nur wenige Menschen in seiner Nähe. Er seufzte und nahm sich vor diese Prozedur vor seinen Freunden zu verfeinern. Aber als er die Musik anstellte, die er mit viel Sorgfalt ausgewählt hatte um seine kleine Show zu begleiten, blieben schon mehr Menschen stehen. Bevor er mit brennenden Fackeln jonglierte verschaffte er sich zunächst immer Aufmerksamkeit in dem er große Feuerfontänen spukte. Den Höhepunkt seiner kleinen Show wollte er heute mit dem brennenden Diabolo markieren. Aber bis dahin war noch etwas Zeit.
Gerade als Bernd die zweite Fontäne gespuckt hatte, und sich bereits ein größerer Kreis um ihn gebildet hatte, erkannte er ein Bekanntes Gesicht mit dunklen Haaren und Drei-Tages-Bart.
„Hallo Lasse!“, formten seine Lippen ohne die Worte auszusprechen.
Der Angesprochene verstand ihn dennoch. Er verlangsamte seinen Schritt und nickte ihm flüchtig zu. Bernd runzelte die Stirn. Normalerweise blieb Lasse stehen und blieb bis zum Ende der Show, wenn er schon vorbei kam. Da bemerkte er, dass Lasses Arm mit einer anderen Person verbunden war. Eine junge Frau mit grüner Mütze, die mit schnellen Schritten leicht vornüber gebeugt marschierte. Bernd blies eine kleine Fontäne in ihre Richtung, um ihre Aufmerksamkeit zu erhalten. Ohne Erfolg. Er sah noch einmal zu Lasse, bemerkte dass dieser ihn immer noch ansah und formte eine Frage mit seinen Lippen.
„Ist das Deine neue Freundin?“
Lasse lächelte schwach und zuckte mit seinen Achseln. Hatte er ihn nicht verstanden? Bevor Bernd noch einmal fragen konnte war Lasse schon in der Menge verschwunden. Die ganze Szene hatte nur wenige Sekunden gedauert. Er musste sich jetzt wieder auf die Show konzentrieren, bevor er das Publikum vergraulen würde. Seufzend entzündete er zwei weitere Fackeln für die Jonglage.

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