Donnerstag, 11. Dezember 2008

Beim Bäcker I

„Darfs noch was sein?“, die Verkäuferin blickte den älteren Herren mit den verwässerten Augen nur sehr kurz an. Noch ehe er ihr antworten konnte warf sie einen schnellen Blick über seine Schulter und blickte durch den Laden, ohne jedoch tatsächlich etwas wahrzunehmen.

Janina schnaubte und trat unruhig von einem Bein auf das andere. Mit einer hastigen Bewegung wischte sie sich eine Strähne ihres schwarzen Haars aus dem Gesicht. Die Bäckereifachverkäuferin war ungefähr so alt wie sie selbst, also Anfang oder Mitte zwanzig. Sie schien völlig überfordert mit ihrer Aufgabe. Immerhin hatte sie es geschafft nachmittags um zwei aufgrund ihrer Langsamkeit eine Schlange von mittlerweile 5 wartenden Personen zu produzieren. Janina war Nummer 3. Nach dem älteren Herren mit den verwässerten Augen kam ein windschnittiger Bankertyp. Der schaffte es, trotz seines niedlichen Gesichts, irgendwie fies auszusehen. Hinter ihr stand eine kleine Frau mit grauen Haaren – wahrscheinlich war sie Rentnerin. Eben hatte sich auch noch eine Frau mit Kinderwagen in den viel zu kleinen Laden gedrängt. Die Tatsache, dass diese sich an der Schlange vorbei neben den älteren Herren stellte beunruhigte Janina. In der Automatiktür, so halb drinnen, halb draußen, war es nicht sonderlich bequem zu stehen, dennoch hatte Janina keine Lust, dass sich diese Mutter vordrängeln könnte. Meist taten solche Kunden immer ganz unschuldig und gaben auf die Ansprache „Wer ist der nächste?“ einfach ihre Bestellung auf. Als ob es nur sie auf dieser Welt gäbe. Weil sie sich sonst klein kariert fühlte schwieg Janina dann meist. Aber ärgern tat es sie trotzdem. Sie lies die Frau mit dem Kinderwagen nicht mehr aus den Augen. Die sollte es bloß nicht wagen was zu bestellen ehe Janina an der Reihe war!

Nun stolperte die Verkäuferin zum dritten Mal über ihre eigenen Füße. Je mehr Menschen sich in dem kleinen Laden drängten, um so hektischer wurde sie, was sich nicht gerade positiv auf ihr Arbeitstempo auswirkte.

Die Rentnerin hinter Janina bewegte sich einfach zu oft, denn ständig öffnete sich die automatische Tür und ein kalter Wind blies von draußen in den Laden. Janina fröstelte. Vielleicht war die Idee mit der weißen Wollstrumpfhose unter dem dunklen Minirock doch nicht so gut gewesen. Ein prüfender Blick in das Glas des Schaufensters lies sie ihre Bedenken wieder in den Wind werfen. Es sah einfach zu cool aus, als dass sie sich über Außentemperaturen noch Sorgen machen wollte.

Endlich bekam der ältere Herr sein Wechselgeld. Janina bemerkte genau den Ansatz der Mutter, als die Verkäuferin nach dem nächsten Kunden fragte. Aber der Bankertyp war viel zu schnell für die vermeintliche Vordränglerin. Mit einer eleganten Bewegung schob er sich an dem älteren Herrn vorbei, der umständlich damit beschäftigt war seine Einkäufe in eine Tasche zu räumen, und fing den Blick der Verkäuferin mit einem charmanten Lächeln ein. Wenn er so lächelte sah er nicht mehr besonders fies aus. Janina wunderte sich über diesen ganz anderen Ausdruck in seinem Gesicht. Ob ihm die Verkäuferin gefiel? Das konnte sie sich eigentlich nicht vorstellen – nun ja, sie sah nicht schlecht aus, aber sie war so unglaublich doof! Janina entfuhr ein Seufzer, bei dem Gedanken auf welche Qualitäten Männer wert legten. Die Frau mit dem Kinderwagen sah sie irritiert an. Janina nutzte diese Gelegenheit, um die Frau auffordernd anzusehen und sich ein wenig dichter an den Banker heran zu schieben.

Wohl etwas zu nah, wie sie feststellen musste, nachdem dieser das Gespräch mit der Verkäuferin unterbrach und sie mit prüfenden Blick von oben bis unten musterte. Es fuhr ihr eiskalt den Rücken hinunter, als sie sich diesem Blick ausgesetzt fühlte. Da war wieder etwas Fieses an ihm, als er diesmal seinen Mund zu einem breiten Grinsen verzog. Trotzig starrte sie ihm in seine blaugrauen Augen, deren Farbe so gut zu erkennen war, weil seine Pupillen nur stecknadelkopfgroß waren. Während er sich wieder lässig der Verkäuferin zuwandte fühlte Janina sich plötzlich lächerlich in ihrem zuvor noch so coolem Outfit.

Um sich abzulenken sah sie auf die Uhr und musste feststellen, dass sie es langsam wirklich eilig hatte – immerhin hatte sie heute Abend noch ein Date und bis dahin gab es noch einiges zu erledigen. Jetzt machte sich dieser Typ auch noch einen Spaß daraus die Verkäuferin vor mathematische Rätsel zu stellen. Mit einem süffisanten Lächeln drückte er der Armen 5,95 € in die Hand, als sie von ihm 3,45 € verlangte. Sichtlich irritiert starrte die Bäckereifachverkäuferin ihn an, entschied sich aber zum Glück dazu beide Beträge in ihre Kasse einzugeben, was die Sache mit dem Wechselgeld ungemein vereinfachte. ´Arschloch!´, dachte Janina, der dieser Typ immer unsympathischer wurde. Als er fertig war bedachte er sie mit einem langen Blick, während er, fast ein wenig zu nah, an ihr vorbei ging. Janina war so abgelenkt, dass sie zu spät bemerkte, dass die Frau mit dem Kinderwagen munter ihre Bestellung aufgab.

Wütend starrte sie sowohl die Verkäuferin, als auch die Frau mit dem Kinderwagen an. Da beide nicht reagierten sah sie sich ein wenig hilflos nach der Rentnerin um, die allerdings, ihrem unbeteiligten Blick nach zu urteilen, nichts bemerkt zu haben schien. Vielleicht war es ihr aber auch einfach egal. Als Rentner hat man ja alle Zeit der Welt. Vielleicht war sie ja sogar dankbar noch ein wenig länger der Bäckereifachverkäuferin beim Bedienen ihrer Kunden zuzusehen. Janina schnaubte und tippte mit ihren linken Zehenspitzen in einem schnellen Takt auf den Boden, um sich abzureagieren.

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