Donnerstag, 4. Juni 2009

Putzaktion I


Leise pfeifend schlenderte Victor hinter dieser Frau Schnittindingens und Vladimir her. Die war schon cool drauf. Ohne sie hätte der dicke Kerl bestimmt die Polizei gerufen. Bei einer kleinen Kammer blieb sie stehen und drückte ihm einen Schrubber und einen Eimer Wasser in die Hand. Victor realisierte sofort wozu diese beiden Instrument gedacht waren. Mit hängenden Kopf und schweigend folgte er in Richtung Koi-Becken. Jemand hatte den Bereich mit Hilfe zweier Holzpfosten abgetrennt. Die Kunden starrten angewidert auf den Boden und machten einen großen Bogen um die Sauerei. Der Geruch des Erbrochenen löste einen Würgereiz bei ihm aus. Schnell schob er sich seinen Pulli über die Nase. Mit einem langen Blick sah er Vladimir nach, der der großgewachsenen Frau mit den grauen Augen die Treppe hinauf folgte. Aber sein Freund schaute nicht mehr zu ihm runter sondern fixierte mit zusammengezogenen Augenbrauen die Schultern vor sich. Einige Augenblicke stand Victor unschlüssig vor dem Fischbecken, als wisse er nicht was er nun tun sollte. Schließlich tauchte er seufzend den Schrubber in das lauwarme Wasser.

So sehr er sich auch bemühte mit dem Erbrochenen nicht in Berührung zu kommen, wollte es ihm einfach nicht gelingen. Spätestens wenn er den Lappen mit spitzen Fingern aus dem Wasser zu fischen suchte berührte er ein paar der Brocken. Schnell zog er den Lumpen raus und lies ihn auf den Boden fallen. Im Augenwinkel sah er wie die zwei Verkäuferinnen an der Kasse ihre Köpfe zusammensteckten und ihn mit abschätzigen Blicken beobachteten. Blöden Kühe!
„Tschüß“
Eine helle Stimme riss ihn aus seiner Konzentration. Als er aufsah stand das süße Mädel von der Tierarztpraxis fast vor ihm. Ihr Gruß hatte allerdings nicht ihm sondern den beiden Ziegen gegolten. Den Blick noch abgewandt stieß sie mit ihrem Fuß gegen seinen Eimer.
„Huch! Was...“, sie fuhr herum und starrte ihn an.
Victor merkte wie er knallrot anlief. Er lies den Lappen ins Wasser gleiten und kam auf seine Füße.
„Hey...“, er senkte seinen Blick und trat von einem Fuß auf den anderen.
Sein Pulli rutschte von seiner Nase.
„Hey...“, ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Hatte sie ihn erkannt? Er war sich nicht sicher was er sich wünschen sollte. Er sah wieder zu ihr hin. Mann, sah die gut aus! Super Figur – weiter kam er nicht. Frau Schnittingens stand plötzlich zwischen ihnen.
„Mona Du kannst schon mal nach Hause gehen. Wir brauchen hier noch eine Weile.“
„Aber ich kann euch auch helfen...“
„Nein, Du gehst jetzt schon mal.“, sie schob das Mädel von Victor weg.
Er beobachtete wie die Beiden kurz miteinander diskutierten. Dann kam Frau Schnittingdingens auf ihn zu. Bevor Mona in der Dunkelheit draußen verschwand lächelte sie ihm noch zu. Er zwinkerte grinsend. Sie senkte schnell ihren Kopf und war im nächsten Moment verschwunden.
„Bist Du fertig?“, Frau Schnittingdingens begutachtete sein Werk, „Naja, das Gröbste ist weg, den Rest können die Putzfrauen später machen.“
Sie zeigte ihm wo er seine Hände waschen konnte und bugsierte ihn dann nach oben.
„Bis Ladenschluss hilfst Du Deinem Freund Regale einzuräumen. Dann kümmern wir uns ums Koi-Becken.“
Oben redete eine alte Frau auf Vladimir ein.
„Ja, aber Sie müssen mir doch helfen können...“
„Zeig Deinem Kumpel das mit den Regalen.“, ihre Stimme klang beinahe beiläufig bevor sie sich der alten Frau zuwandte und ein strahlendes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien, „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
„Ja, wissen Sie ich suche dieses Spezialfutter für meinen Wellensittich. Der junge Mann da meint er könne mir nicht helfen. Aber er arbeitet doch hier, nicht wahr?“
Frau Schnittingdingens legte behutsam ihre Hand auf den Arm der Dame:
„Kommen Sie, ich zeig Ihnen wo das Vogelfutter steht und dann suchen wir in Ruhe nach dem Futter, dass Ihr kleiner Liebling braucht.“
Schwups, waren beide hinter dem nächsten Regal verschwunden. Was für ein Quatsch: Dann suchen wir das Futter, dass Ihr kleiner Liebling braucht! Victor schnaubte laut und unterdrückte ein Lachen.
„Hier“, Vladimir drückte ihn eine Packung Heu in die Hand.
Victor starrte die Packung an.
„Was soll ich damit?“
„Ja was wohl? Sie dort in das Regal räumen – so wie die anderen zehn Packungen auch?“, Vladimirs Stimme klang gereizt.
„Ey, weißt Du wen ich eben unten getroffen habe?“
Victor stieß den Freund an und grinste breit. Als der nicht reagierte verschwand das Grinsen langsam von seinem Gesicht.
„Was´n los?“
Vladimir hielt inne, wandte den Kopf zu ihm und fixierte ihn mit seinen hellen Augen. Victor wich dem Blick aus, tippte mit dem Fuß und sah den Freund dann von unten herauf an.
„Glaubst Du es macht mir Spaß hier Regale einzuräumen nur weil der Herr Scheiße gebaut hat?“, die Stimme klang scharf und bissig.
„Ey, Mann, ey … Scheiße! Ey, ich habs doch nicht mit Absicht gemacht, Mann!“
Er starrte Vladimir an.
„Wenn mans nicht verträgt sollte man auch nicht saufen, verdammt!“, er sagte es so leise, dass nur Victor es hören konnte.
Dann wandte er sich wieder den Heusäcken zu. Victor stand mit zusammengekniffenen Lippen da. Wasser stand in seinen Augen. Er trat wieder von einem Bein auf das andere.
„Scheiße!“, murmelte er während er seinen ersten Heusack ins Regal stopfte.
Im Augenwinkel beobachtete er Vladimir und hoffte dass dieser vielleicht etwas sagen würde. Aber er sagte nichts.

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